Shidōshiseminar 2021

Am 12. November 2021 war es wieder so weit. In mehreren Fahrgemeinschaften haben wir uns, wie (fast) jedes Jahr, auf den Weg nach Hamm in Nordrhein-Westfalen gemacht. Am 13. November sollte das Shidōshiseminar 2021 beginnen, das dieses Jahr jedoch aus verschiedenen Gründen anders sein sollte als sonst. Auf dem Plan standen Techniken aus der Kukishinden Ryū 九鬼神伝流 mit Yoroi bzw. mit Yoroi-Feeling und Waffen wie Yari , Bokken 木剣, Rokushaku-Bō 六尺棒 und Wakizashi 脇差.

Das Shidōshiseminar ist inzwischen, nach fast 20 Jahren, die seit der ersten Veranstaltung dieser Reihe vergangen sind, zu einem Highlight der Bujinkan-Gemeinschaft geworden, auf das man sich schon Monate im Voraus freut. Man hat ja nicht jeden Tag die Gelegenheit, von so vielen guten und erfahrenen Lehrern aus verschiedenen Teilen Deutschlands an zwei Tagen zu lernen. Denn um sich weiterzuentwickeln, ist es wichtig, sich immer wieder neue Impulse und Anregungen zu holen, neue Herangehensweisen auszuprobieren, ohne aufzuhören, stets an der Kihon weiterzuarbeiten. Daher betrachte ich Seminare als so gewinnbringend für die eigene Entwicklung. Aber nicht nur die Lehrer machen diese Wochenenden so besonders, man trifft auch Leute aus anderen Dojo, die man schon seit Jahren flüchtig oder auch etwas besser kennt, es haben sich sicherlich auch zwischen einigen echte Freundschaften entwickelt. Es ist die Gelegenheit, miteinander zu trainieren, sich auszutauschen, Kontakte zu pflegen und zu erweitern.

Diese zwei Tage sollten dieses Jahr besonders sein, weil uns diese kostbaren und erfahrungsreichen Momente in den letzten 1,5 Jahren so gut wie komplett verwehrt geblieben sind. Zum Teil war das Training im eigenen Dojo nicht mal mehr möglich, von Seminaren konnte man nur träumen und der Kontakt mit Buyū aus anderen Dojo fand, wenn überhaupt, nur auf Entfernung statt. Umso größer war also die Vorfreunde auf das diesjährige Shidōshiseminar, auch wenn die aktuelle pandemische Lage bei vielen Zweifel geschürt hat und einige von uns schließlich davon abgehalten hatte, an dem Seminar teilzunehmen. So ist von ursprünglich ca. 20 Wakagi nur die Hälfte schließlich dabei gewesen. Den Umständen entsprechend war die Teilnehmerzahl allgemein kleiner als zwei Jahre davor. Doch das Angrüßen mit 150 Paaren klatschender Hände sorgte wieder mal für Gänsehaut und inneres zufriedenes Lächeln.

Auch die Zusammensetzung der unterrichtenden Lehrer sollte diesmal anders aussehen. Oli Heine konnte wegen eines Auslandseinsatzes nicht dabei sein, Jürgen Bieber ist kurzfristig krank geworden, genauso wie die Gastlehrerin Rafaela Simon. So bestand das Kernteam aus Dino Gheri, Heinz Meyer, Guido Schenkel und Stefan Bencik. Da bereits Monate zuvor der zweite eingeladene Gastlehrer abgesagt hatte, wurde Michi, der eigentlich erst ein Jahr darauf als Gastlehrer teilnehmen sollte, gefragt, ob er stattdessen schon dieses Jahr diese Rolle übernehmen könnte. Diese Tatsache erhöhte den Einzigartigkeitsfaktor des Seminars natürlich um einiges und erfüllte alle Wakagi, besonders die aus dem Fürther Dojo, mit berechtigtem Stolz.

Der Ablauf und das Training an sich wurden an die besonderen Umstände angepasst. So wurde gänzlich auf waffenloses Training mit direktem Körperkontakt verzichtet und man hatte den Schwerpunkt auf Waffentechniken gesetzt. Der Partnerwechsel wurde vermieden und fand höchstens unter den Mitgliedern des eigenen Dojo statt. Alle Teilnehmer haben sich auch vorbildlich an die Empfehlung gehalten, während des gesamten Trainings eine Maske zu tragen. Das stellte den Körper, besonders beim Nutzen einer FFP2-Maske, vor neue, ungeahnte Herausforderungen, gab aber gleichzeitig den Teilnehmern bestimmt etwas mehr Sicherheitsgefühl, auch wenn bereits beim Einlass 3G galt. Die Gesamtzeit der Veranstaltung wurde etwas verkürzt, dafür entfielen die lange Mittagspause und auch die traditionelle Pizza. Ob der Stammpizzabäcker des Shidōshiseminar danach Bankrott ging, ist nicht bekannt 😉

Wir beschäftigten uns am ersten Tag hauptsächlich mit den Kata aus der Menkyo Kaiden Hencho Gata 免許皆伝変蝶型, der dritten Stufe der Kukishinden Ryū Sōjutsu 九鬼神伝流槍術, sowie deren Henka, aber auch mit einigen „freien“ Techniken mit Yari und Bokken. Die Lehrer wechselten sich wie gewohnt ab und jeder zeigte eine scheinbar neue Technik, die jedoch meist entweder direkt an die zuvor gezeigte Form anknüpfte oder diese weiterführte. Manchmal wurden auch nur gewisse Aspekte aufgriffen, um diese zu verdeutlichen. Dabei gingen die Lehrer verschieden an den von ihnen gezeigten Inhalt heran, mal war das die Kata in ihrer reinen Form, mal begann die Einführung einer neuen Technik mit Drill, um den Ablauf zu festigen und das nächste Mal wurde eine Form in kürzere Teile zerlegt, die einzeln geübt und nach und nach zusammengefügt wurden.

Doch egal auf welche Art und Weise eine Technik präsentiert wurde, erkannte man immer wieder die Wichtigkeit einiger bereits so oft besprochenen Prinzipien wie Abstand, Winkel, Timing und wie sich diese, besonders beim Wechsel von Drill zum Partnertraining, veränderten und an Bedeutung gewannen. Eine Angriffsabfolge, die in der Soloübung auch relativ linear ausführbar ist, verläuft oft ganz anderes, wenn sie mit Uke geübt wird. Plötzlich erkennt man, warum ein Konter an einer bestimmten Stelle durchgeführt wird oder warum man einen kleinen Schritt zur Seite an einer anderen Stelle macht. Und wenn man dem Ganzen noch die nötige Portion an Intention hinzufügt, haucht man der zuvor stur, nach Vorgaben eingeübten Kata, ein richtiges Leben ein. Und spätestens dann macht es wahnsinnig viel Spaß! Auch wenn man mal in die Yari-Spitze läuft oder das Bokutō aufs Handgelenk bekommt… 😉

Am Abend trafen sich alle wie jedes Jahr im Hotel Mercure, um miteinander zu essen, zu trinken und sich zu unterhalten. Diesmal ohne den sagenumwobenen DJ Daniel, dafür aber mit leckeren Essen und in netter Atmosphäre.

Am Tag zwei mussten kleinere Anpassungen im Ablauf vorgenommen werden. Normalerweise bilden sich am Sonntag Lehrerpaare, die jeweils einen kleinen Teil des Seminars übernehmen und zusammen etwas vorzeigen und erklären. Da es diesmal jedoch drei Lehrer weniger waren als sonst, war auch an diesem Tag der Ablauf ähnlich wie schon am Samstag. Zusätzlich kam an diesem Tag, neben dem Yari, das Wakizashi zum Einsatz.

Der Input der beiden Tage war wie immer immens, so ließ vermutlich nicht nur bei mir, sondern vielleicht auch bei dem ein oder anderen, gegen Ende die Konzentration etwas nach. Das bedeutet dennoch keinesfalls, dass wir nicht bis zum Ende Spaß gehabt hätten!

Auf dem Heimweg sind die meisten Wakagi traditionsgemäß im Café del Sol eingekehrt, um das Wochenende gemütlich ausklingen zu lassen und uns vor der langen Heimfahrt mit gutem Essen zu stärken.

Für mich war es ein sehr lehrreiches Wochenende! Nächstes Jahr sicherlich wieder!